Unserer Meinung nach ist es zwar analytisch, aber - um Hans Castorps Redewendung zu wiederholen - »im höchsten Grade linkisch« und geradezu lebensunfreundlich, in Dingen der Liebe zwischen Frommem und Leidenschaftlichem »reinlich« zu unterscheiden. Was heißt da reinlich! Was schwankender Sinn und Zweideutigkeit! Wir machen uns unverhohlen lustig darüber. Ist es nicht groß und gut, daß die Sprache nur ein Wort hat für alles, vom Frommsten bis zum Fleischlich-Begierigsten, was man darunter verstehen kann? Das ist vollkommene Eindeutigkeit in der Zweideutigkeit, denn Liebe kann nicht unkörperlich sein in der äußersten Frömmigkeit und nicht unfromm in der äußersten Fleischlichkeit, sie ist immer sie selbst, als verschlagene Lebensfreundlichkeit wie als höchste Passion, sie ist die Sympathie mit dem Organischen, das rührend wollüstige Umfangen des zur Verwesung Bestimmten, - Charitas ist gewiß noch in der bewunderungsvollsten oder wütendsten Leidenschaft.
Thomas Mann, Der Zauberberg

… die Liebe … Daran glaubte er nicht. Mied sogar das Wort. Hielt es für Kitsch. Es gäbe diese drei Dinge, und nur sie, pflegte er zu sagen: Begierde, Wohlgefallen und Geborgenheit. Und alle seien sie vergänglich. Am flüchtigsten sei die Begierde, dann komme das Wohlgefallen, und leider sei es so, daß die Geborgenheit, das Gefühl, in jemanden aufgehoben zu sein, irgendwann auch zerbreche. Die Zumutungen des Lebens, all die Dinge, mit denen wir fertig werden müßten, seien einfach zu zahlreich und zu gewaltig, als daß unsere Gefühle sie unbeschadet überstehen könnten. Deshalb komme es auf Loyalität an. Sie sei kein Gefühl, meinte er, sondern ein Wille, ein Entschluss, eine Parteinahme der Seele. Etwas, das den Zufall von Begegnungen und die Zufälligkeit der Gefühle in eine Notwendigkeit verwandle.
Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon

Bei der Eifersucht kreiert/imaginiert das Subjekt ein Paradies (eine Utopie der vollkommenen jouissance), aus dem es ausgeschlossen ist.
Slavoj Žižek, Auf verlorenem Posten. edition suhrkamp 2009

Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.
Diana Pflichthofer, Der Rahmen: Zwischen Gesetz und Freiheit. Psyche 1/2011

In Zeiten des romantischen Liebesideals, in der die Liebe zwischen den Liebenden allein - und nicht die schicklichen, zweckhaften oder sonst wie naheliegenden Allianzen zwischen den Familien der Partner - den Bund fürs Leben begründen soll, ist Bindung deshalb eine so riskante Angelegenheit, weil die beiden Partner nicht voneinander wissen können, welche Frustrationstoleranzen die Liebe für den jeweils anderen beinhaltet. Wenn die Sexualüberschätzung aus dem irren Zustand der Verliebtheit nachlässt, müssen sich die Partner notgedrungen auf eine emotionale Idee langer Dauer für ihre Partnerschaft einigen. Dazu dienen für gewöhnlich Erzählungen des Kennenlernens, der Überwindung von Beziehungskrisen, von gemeinsamen Urlaubs- oder Immobilienerwerbsprojekten und vor allem die unendlichen, von Fotosammlungen gestützten Erzählungen aus der kooperativen Kinderaufzucht.
Da der Partner, auch wenn man sich keinen anderen vorstellen kann, immer der Andere bleibt, in dem ein Fremder steckt, dessen trübe Gedanken, geheime Wünsche und bizarre Fantasien einem verborgen bleiben, muss man unentwegt auf der Hut sein. Eine fixe Idee im Kopf des Anderen kann mit einem Mal alles zur Disposition stellen. Die Beziehung der Liebe beruhe so gesehen auf der Angst vor der Freiheit. So wie das Ich hat das Du die Freiheit, aus nichtigem Anlass oder tiefer Enttäuschung, Nein zu sagen und sich dadurch seine Freiheit zu nehmen und den Anderen allein zu lassen. »Wir haben uns voneinander entfremdet«, lautet die ebenso hilflose wie treffende Formel der Trennung.
Heinz Bude, Gesellschaft der Angst. Hamburger Edition 2014

Der unter den Alten, der sagte, er sei den Jahren dankbar, weil sie ihn von der Wollust befreit hätten, war anderer Ansicht als ich; ich werde mich niemals beim Unvermögen bedanken, und wenn es mir noch so gut bekäme. ... Wir nennen die Grämlichkeit unserer Launen und den Überdruß an irdischen Dingen Weisheit. Aber in Wirklichkeit geben wir die Laster nicht auf, wir tauschen sie nur ein, und meiner Meinung nach gegen schlimmere. Außer einem dummen, senilen Hochmut, einer nervtötenden Geschwätzigkeit, diesen unangenehmen Eigenarten, außer dem Aberglauben und einer lächerlichen Sorge um das Geld, für das man keine Verwendung mehr hat, finde ich im Alter mehr Neid, mehr Ungerechtigkeit und mehr Boshaftigkeit.
Michel de Montaigne, Essais

Als der Buddha im Sterben lag, weinte sein vertrauter Jünger Ānanda. Der Sterbende gab ihm, seines Schmerzes gewahr, den einzigen Trost:

Sei deine eigene Insel!
Sei deine eigene Zuflucht!
Suche keine andere Zuflucht
als bei dir selbst!
Sieh die Buddha-Lehre als Insel!
Sieh ihre Wahrheit als Zuflucht!
Suche bei keinem anderen Zuflucht
als bei dir selbst!

Eckart Kroneberg, Buddha, Berlin Wilmersdorf