Der französische Philosoph und Marxist Louis Althusser hat vielleicht als Erster gezeigt, dass man die Phantasie nicht einfach als subjektive Fehlleistung oder Täuschung verstehen kann, nicht einfach als Weigerung, die Dinge in ihrem Sosein anzuerkennen. Für Althusser ist Phantasie vielmehr etwas Objektives. Sie finde sich weniger in unseren Überzeugungen als in unseren sozialen Praktiken. Im Sinne (der marxschen Analyse) des Warenfetischismus ist es deshalb egal, ob wir wissen, dass Geld nur eine Abstraktion sozialer Beziehungen und kein unmittelbarer Ausdruck von Reichtum ist. Entscheidend ist nur, dass wir in unserem Verhalten immer noch so tun, als wäre Letzteres zutreffend. Dies ist die radikale Bedeutung von Marxens Analyse der Warenform: „dass Dinge (Waren) an unserer Stelle glauben“. Es ist auch die Schlussfolgerung, die sich aus Zizeks Einführung des lacanschen Begriffs des gespaltenen Subjekts in Althussers Theorie der Anrufung ziehen lässt. Wir sehen nämlich, dass Ideologie unbewusst funktioniert, was nicht heißt, die Subjekte wüssten nichts von ihr - sie wissen sehr wohl -, die Form ihres eigenen Verhaltens aber können sie nicht kontrollieren. Sie sind nicht etwa deshalb „dezentriert“, weil sie irgendeinen Aspekt ihres Verhaltens falsch wahrnehmen oder falsch einschätzen würden, sondern weil sie von Anfang an nur durch Vermittlung eines anderen (der Anderen, wie er sich nicht nur im Fetisch, sondern auch in sozialen Bräuchen verkörpert) handeln oder glauben können.
Rex Butler, Slavoj Žižek zur Einführung