Ich ... meine, daß alle Symptome auch diesen kommunikativen Aspekt haben. Sie »wollen« etwas mitteilen, etwas »erzählen«, was für den Patienten sonst unsagbar bleiben müßte. Nicht nur die hysterischen Inszenierungen, sondern z.B. auch Zwänge, Phobien, selbstzerstörerisches Verhalten, sich ständig wiederholendes Agieren sind solche Berichte über einen Leidensweg, ein erlittenes Unrecht, eine Demütigung, einen schmerzlichen Verlust, eine nicht erfüllte Sehnsucht, eine nicht bezwingbare Angst. Diese »Symptomsprache« dient nicht etwa nur dem sekundären Krankheitsgewinn (vermehrte Zuwendung durch die Umgebung). Ihre Hauptfunktion besteht in der Befriedigung des vielleicht intensivsten menschlichen Bedürfnisses, nämlich sich mitzuteilen. Ein solches Symptomverständnis ist eminent wichtig, weil die Übersetzung des Symptoms und die adäquate Beantwortung der in ihm enthaltenen Mitteilung eine der wichtigsten Bestandteile jeder psychoanalytischen Behandlung sein muß.
Stavros Mentzos, Neurotische Konfliktverarbeitung